Als ich ein Kind war, war telefonieren etwas Besonderes. Unser Telefon war grün und stand im Wohnzimmer. Wenn jemand telefonierte, hörten zwangsläufig alle mit. Eine Telefoneinheit hatte 21 Sekunden und bevor eins von uns Kindern… Mehr
Der Garten
Heute wieder in den Garten zu gehen, hat mich Überwindung gekostet. Lieber hätte ich eine Steuererklärung gemacht. Oder Hemden gebügelt oder so … Aber wenn ich eins weiß, dann dass sich die Dinge nicht von alleine erledigen.
Aber von Anfgang an: Gestern haben der Sohn und ich uns den alten Maschendrahtzaun vorgenommen, (noch) nicht wissend, mit wie vielen Wurzeln der mindestens vier Jahrzehnte lang eine untrennbare Verbindung eingegangen war … Fünfzehn Meter Zaun zwischen uns und den Nachbarinnen. Ziel war es, ihn zu entfernen. Haben wir auch! Mit Spaten, Kneifzange, Astschere und Muskelkraft.
Abends habe ich dann jeden Knochen gespürt, aber auch sowas wie Genugtuung. Wir hatten es geschafft! „Maschine“, hat der Sohn gesagt, macht mich immer noch stolz (Dank geht raus an Aviva 🙂 ). So, wie die Selbstverständlichkeit, mit der er angepackt hat. „Habe ich Bock drauf“, meinte er.
Ich ja eher nicht so. Aber wenn die to-do-Liste zu lang ist und die Gedanken zu schwarz, hilft mir nichts so sehr, wie körperliches Arbeiten. Abgesehen davon hatte ich eine Deadline und nicht mehr viel Zeit: das Ding musste raus! Bei Sonne, Regen, Hagel (gestern war echt alles dabei) mit dem Spaten Wurzeln abzustechen, Wurzelstöcke auszuheben und Ranken auszureißen, hat dem Körper weh und dem Kopf gut getan. Heute geht es mir besser.
Aber – kennen wir wohl alle – Tag 2 ist oft schwieriger als Tag 1. Half aber nichts.
Also habe ich vorhin die Handschuhe wieder angezogen und erstmal das Maschendrahtknäuel, das noch in der Einfahrt lag, auseinander gezogen und gerollt. Jetzt kann es da meinetwegen liegen. Danach war ich wieder am Zaun, der da nicht mehr ist, um alles, was noch an Draht in der Erde war, auszugraben. Zwischen Hopfenwurzeln, dick wie meine Arme – faserig, nass, eklig – und Efeuranken, so alt, dass die Blätter herzförmig sind. Ich bin allergisch dagegen.
Morgen mache ich den Rest.
Übermorgen werden dann die Sträucher, die da noch wachsen, vom Gartenprofi abgeschnitten. Alles weg, nur die Pflaume bleibt. (Arbeitsanweisung ist die Zeichnung oben im Bild – er hat sie verstanden). Danach wird er die Wurzeln ausfräsen. Und dann will ich nichts davon je wieder sehen. Nicht in meinem Garten! Keinen Hopfen, keine Brombeeren, weder wilden Wein noch Efeu oder Giersch. Jahrelang habe ich gedacht, ich schaffe das alleine, aber das war eine Illusion. Jedes Jahr ist es mehr geworden. Wie eine Hydra: drei neue Triebe für jeden einzelnen, den ich ausgerissen habe.
„Hopfen und Giersch kann man doch essen“ und „Brombeeren sind doch sooo lecker“ – wehe, eine sagt das jetzt. Tipps, was ich noch hätte tun können, möchte ich bitte auch nicht!
Stattdessen möchte ich einen neuen Zaun und dann vielleicht eine Wildwiese. Oder doch ein Gemüsebeet. Eine Strickfreundin hat mir schon Tomaten, Paprika, Mini-Gurken und eine Mango-Melone gebracht. Eine andere Freundin bittet, dass ich ihre Zucchini übernehme, für die ihr Balkon zu klein ist. Mal sehen.
Da werde ich jetzt auf der Veranda drüber nachdenken.
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Babymützen
Großer Jubel in der Familie des Kollegen – beide Schwiegertöchter sind schwanger. Die eine zum dritten, die andere zum ersten Mal. Beides sind Sommerbabys. Und natürlich hat seine Frau umgehend begonnen, sich um die Ausstattung der kleinen Menschen zu kümmern und Babymützen zu fertigen.
Das blieb der Hebamme der einen Schwiegertochter nicht verborgen, die dann fragte, ob sie auch ein paar kleine Babymützen haben dürfe. Für alle anderen Babys, denen sie in den nächsten Wochen helfen wird, auf die Welt zu kommen … Also so viele Mützen, dass die Frau des Kollegen gar nicht wußte, wie sie das schaffen sollte. Aber einfach absagen? Das wollte sie offenbar auch nicht.
Anders ist nicht zu erklären, dass der Kollege Tage später mit unschuldigem Gesichtsausdruck vor meinem Schreibtisch tänzelte: ob ich denn immer wisse, was ich als nächstes stricken würde … (Ja, in der Regel schon). Ob ich nie mal Nichts auf den Nadeln hätte … (nein, nie). Ob ich manchmal schon für Babys gestrickt hätte … (Ja klar, immer mal wieder) und ob ich mir ganz vielleicht vorstellen könnte, Babymützen für die Hebamme der Schwiegertochter zu stricken …
Spontan habe ich ein höfliches Nein gesagt, um dann aber abends doch nochmal darüber nachzudenken. Mag sein, dass mich ein hellblaues Knäuel Merino Big manipuliert hat, das neben mir auf dem Sofa lag. Je länger ich es ansah, umso sicherer war ich, dass es eine sehr coole kleine Babymütze in kraus rechts sein könnte.
Die war dann auch fix gestrickt, aber es blieb Wolle übrig, die wiederum wunderbar zum angefangenen Knäuel in lime green passte. Und Ringel stricken sich ja eh von alleine, oder? Aber auch hier blieb ein Rest und der sah so hübsch aus, kombiniert mit einem gleichgroßen rot-bunten Rest …
Was soll ich sagen, kaum zwei Tage später brachte ich dem Kollegen sechs kleine Mützen mit. Vier frisch gestrickte und zwei aus der Geschenkekiste. Alle bunt, alle unterschiedlich und alle aus Wollresten: die hellblaue in kraus rechts, die klassische Beanie geringelt in blau und lime, der Rest von lime green kombiniert mit rot-bunt im Rippenmuster, eine knallbunte kleine Mütze aus der Mitte gestrickt aus einem italienischen Wollrest, eine Alida Haube aus dem Klompelompe Buch und zu guter Letzt die, die ich immer stricke, die Garter Stitch Ear Flap Hat von PurlSoho.
Wie nicht anders zu erwarten, begeisterte die letzte am meisten. Ist echt immer so. Und nachdem hier noch Drops Air Reste liegen, verstricke ich die nun also auch noch in kleine Zipfelmützen.
Weil’s schnell geht, weil’s Spaß macht und weil ich finde, jeder kleine Mensch sollte mindestens einmal etwas Handgestricktes haben.
Warum also nicht zur Geburt damit anfangen?
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Der 12tel Blick im April
Mit jedem Jahr, das ich älter werde, verändert sich offenbar, was mich glücklich macht. Früher waren es Reisen, Sprachen, viele Menschen, grundsätzlich alles Neue. Heute reicht mir meistens der Garten denke ich, während ich das 12tel Blick Bild vom Holzregal im Mai mache.
Und so ist auch in diesem Frühling die Veranda mein Lieblingszimmer. Nicht, weil ich zur Gärtnerin geworden bin, sondern weil es so schön ist. Gerade fangen alle Rhododendren an zu blühen, die Hortensien auch. Mehr gibt es eh nicht in meinem Garten (wenn man mal von Hopfen, Giersch, Efeu und wildem Wein absieht …).
Der Rasen (oder das, was ich so nenne) ist satt, grün und zeimlich hoch mittlerweile. „No Mow May“ für Wildkräuter und Artenvielfalt, aber auch für die Insekten, Vögel und alle anderen, die da unterwegs sind.
Vor allem letztere machen mir Spaß. Früher hätte ich sie kaum registriert, heute freue ich mich über die vielen Vögel (der Grauspecht ist wieder da und erstmalig auch eine Mönchsgrasmücke), die Eichhörnchen, die Bienen und gemütlichen Hummeln. Irgendeiner summt oder knispelt immer. Und laut ist es obendrein 🙂 Was die sich wohl zu erzählen haben?
Mein Holzregal verschwindet langsam hinter Büschen und Blättern und ist momentan tatsächlich das einzige meiner 12tel Blick Motive, das mich freut.
Die anderen beiden … nun ja. Es tut sich nichts. „Galeria Berlin Hermannplatz“ ist zwar unverändert geöffnet, aber es ist Monate her, dass ich zuletzt dort war. Auf dem Hermannplatz gibt es immer noch einen Wochenmarkt, aber der Platz als solches vergammelt in Rekordzeit.
Dazu tragen sicher die wärmeren Temperaturen bei, aber auch die zahlreichen Menschen, die in ihrer Not Zuflucht an diesem Ort suchen. So viele mit Suchtproblemen, so gruselig, wenn sie offen konsumieren. Die gebrauchten Spritzen liegen überall. Menschen, die die Nächte im Freien verbringen, umgeben von Hausrat und Müll.
Die hohe Verkehrsbelastung und Verschmutzung machen all das nicht besser.
Wie jeden Monat bin ich dann weitergegangen zur Kirche am Südstern. Auch hier wächst das Grün, alles andere ist unverändert. Kirche halt. Wobei es schon ziemlich cool ist zu verfolgen, wie sie hinter all dem Grün verschwindet. Ist nicht ohne Grund meine Lieblingsfarbe.
12 Bilder braucht es für den 12tel Blick – vier Monate sind vergangen. Mal sehen, wie lange ich noch dabei bleibe.
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Der 12tel-Blick ist eine kreative Foto-Challenge im Blog von Eva Fuchs. Die Regeln sind einfach: jede*r sucht sich ein Motiv, fotografiert es in 2025 jeden Monat einmal (an egal welchem Tag), wobei Standort und Blickwinkel im besten Fall identisch sind und zeigt monatlich die so entstanden Bilder. Dadurch entsteht bis Ende des Jahres sowas wie ein Zeitraffer, der zeigt, wie sich die Welt an diesem Ort in 12 Monaten verändert hat – oder auch nicht.
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Wollreste
Manchmal geht es, manchmal nicht. Irgendein „manchmal“ ist immer und in den letzten Tagen ging Schreiben eben einfach nicht. Der Kopf zu voll. Stattdessen habe ich die bunten Wollreste der Regenbogen Olga verstrickt.
Schreibblockaden und das Stricken mit bunten Wollresten – warum sollte das zusammen passen? Und doch ist da jetzt ein Funke Inspiration. Mal sehen, wo er mich hinführt!
Schreibblockaden … Wer schreibt, kennt das: der Cursor blinkt vorwurfsvoll und die Worte machen sich so rar wie der Regen in den letzten Wochen. Da hilft mir kein Kaffee, kein Blick in den Garten und erst recht kein (noch so gut gemeinter) Rat. Die Ideen? In Ferien. Die Sätze? Streiken. Und während ich warte, dass die Muse küsst, wachsen die Selbstzweifel. Warum klappt es nicht?
Vielleicht, weil Schreiben kein Fließbandjob ist, sondern eher sowas wie Jonglieren mit Seifenblasen – immermal wieder platzen sie halt …
Dem gegenüber: Stricken mit bunten Wollresten. Genialer Kontrast! Keine Blockade, stattdessen: Farben, Ideen, Chaos, Freiheit! Auf dem Sofa lagen noch die Wollreste der Regenbogen Olga – Orange, Natur und Blattgrün als Knäuel mit Banderole. Rot, Pink, Türkis und Blau rund gewickelt und deutlich kleiner. Gelb! Ich brauche auch gelb! Daneben zwei Knäuel REGIA Cotton in hellem Beige, die ich tatsächlich nicht so gerne zu Socken verstricken wollte, weil Baumwolle (gefühlt) immer leiert. Was könnte das werden? Wie werde ich den Farben und unterschiedlichen Mengen gerecht? Egal! Fang einfach an.
Und genau das habe ich gemacht.
Jetzt liegt hier eine kleine Jacke für ein ebenso kleines Kind. Zweifädig gestrickt und bunt. Sie sieht aus, wie mit Buntstiften gemalt, sagt der Mann.
Und bei allem habe ich mal wieder gelernt, was ich längst wußte: nämlich das, was Stricken und Schreiben – jegliches kreatives Tun – gemeinsam haben: Einfach anfangen, drauflosschreiben oder -stricken, Fehler zulassen (da muckt er wieder, der Monk). Irgendwas wird dabei rumkommen. Nicht jedes Stück muss perfekt sein, nicht jeder Satz ein Kunstwerk. Manchmal reicht es, die Fäden aufzunehmen und zu sehen, was daraus wird.
Die Hände sind beschäftigt, der Kopf hat Pause. Ein bunter Wollrest bringt die Gedanken dann endlich wieder in Bewegung.
Das Ergebnis ist etwas Eigenes. Und das ist doch das, worum es geht.
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Wer schreibt oder strickt, übt Macht aus – nicht im Sinne von Herrschaft über andere, sondern als Gestaltungsmacht über das eigene Tun, die eigenen Gedanken, Materialien und Möglichkeiten. Andrea schreibt heute in ihrem Blog über Macht. Wenn auch eine deutlich andere Macht. Eine, die mir momentan eher das Gefühl gibt ohnmächtig zu sein, aber das wäre ein neuer Blogpost. Wer weiß – vielleicht schreibe ich den noch. Ideen wären jetzt da 🙂
Olga, die Dritte
Eine Olga wollte ich Anfang des Jahres stricken, zwei sind es geworden. Aus Gründen … Die eine rot-blau, die andere grün. Beide total verschieden. Beide total schön. Eine dritte war nicht geplant.
Aber manchmal kommt es eben anders, als man denkt.
Auslöser waren viele Knäuel Sockenwolle, die nicht mehr in die Kiste passten, in die sie sollten. Weil die schon überquoll mit Knäuel in allen Farben des Regenbogens. Alle REGIA und von allen viel zu viel. Ein Luxusproblem könnte man sagen und doch war es mein Problem.
Viel Wolle macht nicht zwingend glücklich. Mich nicht. Dann fühle ich mich wie Sisyphos, verdammt von Zeus, den Fels den Hang emporzurollen. Immerzu, unablässig. Mein „Fels“ ist dabei Wolle und für jedes verstrickte Knäuel kommen – wie aus dem Nichts – immer drei neue. Das Gefühl, nie fertig zu werden, diese Menge an Wolle nicht bewältigen zu können, stresst mich immens. Muss am Monk liegen.
Glückliche Fügung, dass ich eine Freundin habe, die alle Farben des Regenbogens liebt und am liebsten wohl alle zusammen. Deshalb also eine dritte Olga. Ein oversized Pullover, der – so die Idee – mit doppeltem Faden gestrickt unglaublich bunt werden würde und unglaublich viele Wolle verbrauchen würde, ohne dass man es ihm ansehen würde. Das war die Hoffnung.
Sie wurde erfüllt. Und nicht nur das!
Denn 4-fädige Sockenwolle doppelt verstrickt fasst sich ganz anders an als 8-fädige einfach verstrickt. Sie fällt auch ganz anders. Luftiger, weicher, trotzdem griffig. Echt schön. Das Ergebnis mag ich sehr. Also SEHR!
Zuerest habe ich bisschen gerechnet, damit Farben und Anzahl der Ringel hinkommen und dann die grüne Lettlópi-Olga in Maschen und Reihen kopiert. Das hat ungefähr hingehauen. Die Regenbogen-Olga ist unwesentlich schmaler und wäre ohne Extra-Ringel auch kürzer geworden. Abgesehen davon ist sie so bunt wie die Eier zu Ostern, wie der Teppich im Flur.
Lila und rot sind mir irgendwann unterwegs ausgegangen. Ich hatte nur jeweils ein Knäuel und das hat nicht gereicht. Aber egal. Ich habe der Versuchung widerstanden neue Knäuel zu kaufen und statt dessen mit ähnlichen Farben weitergestrickt. Kirschrot statt Tomate. Milka-Lila statt violett. Niemand sieht es außer mir. Niemanden stört es. Nichtmal mich.
Am Ende waren es 13 Farben, 634 Gramm und 2.667 Meter Wolle, die ich in eine Regenbogen-bunte Olga verwandelt habe. Bei allem war es eine „REGIA-Zeitreise“. Von gut abgelegenen Knäuel mit Banderolen im uralten Design bis hin zum apfelgrünen Knäuel aus der freundin-Kooperation.
Und auch das italienische Abketten hat seinen Schrecken verloren. Mittlerweile mache ich das tatsächlich gerne. Den Faden in vier Schritten durch die Maschen zu ziehen, dauert endlos, hat aber etwas Meditatives. Außerdem mag ich Optik und Haptik des auf diese Art abgeketteten Bündchens. Wenn ich es sehe, freue ich mich.
Dennoch wird die Regenbogen-Olga mich verlassen haben, wenn dieser Blogpost online ist. Sie gehört dann der Freundin, die ich bei jedem Ringel im Kopf hatte. Sie, ihren Geburtstag, ihre Liebe zu Farben und zur Ostsee. Die Vorstellung, dass sie den Pullover im kommenden Herbst bei ihren Spaziergängen am Wasser tragen könnte, macht mich glücklich.
Vielleicht schickt sie mir dann sogar ein Bild.
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