Heute wieder in den Garten zu gehen, hat mich Überwindung gekostet. Lieber hätte ich eine Steuererklärung gemacht. Oder Hemden gebügelt oder so … Aber wenn ich eins weiß, dann dass sich die Dinge nicht von… Mehr
Wollreste
Manchmal geht es, manchmal nicht. Irgendein „manchmal“ ist immer und in den letzten Tagen ging Schreiben eben einfach nicht. Der Kopf zu voll. Stattdessen habe ich die bunten Wollreste der Regenbogen Olga verstrickt.
Schreibblockaden und das Stricken mit bunten Wollresten – warum sollte das zusammen passen? Und doch ist da jetzt ein Funke Inspiration. Mal sehen, wo er mich hinführt!
Schreibblockaden … Wer schreibt, kennt das: der Cursor blinkt vorwurfsvoll und die Worte machen sich so rar wie der Regen in den letzten Wochen. Da hilft mir kein Kaffee, kein Blick in den Garten und erst recht kein (noch so gut gemeinter) Rat. Die Ideen? In Ferien. Die Sätze? Streiken. Und während ich warte, dass die Muse küsst, wachsen die Selbstzweifel. Warum klappt es nicht?
Vielleicht, weil Schreiben kein Fließbandjob ist, sondern eher sowas wie Jonglieren mit Seifenblasen – immermal wieder platzen sie halt …
Dem gegenüber: Stricken mit bunten Wollresten. Genialer Kontrast! Keine Blockade, stattdessen: Farben, Ideen, Chaos, Freiheit! Auf dem Sofa lagen noch die Wollreste der Regenbogen Olga – Orange, Natur und Blattgrün als Knäuel mit Banderole. Rot, Pink, Türkis und Blau rund gewickelt und deutlich kleiner. Gelb! Ich brauche auch gelb! Daneben zwei Knäuel REGIA Cotton in hellem Beige, die ich tatsächlich nicht so gerne zu Socken verstricken wollte, weil Baumwolle (gefühlt) immer leiert. Was könnte das werden? Wie werde ich den Farben und unterschiedlichen Mengen gerecht? Egal! Fang einfach an.
Und genau das habe ich gemacht.
Jetzt liegt hier eine kleine Jacke für ein ebenso kleines Kind. Zweifädig gestrickt und bunt. Sie sieht aus, wie mit Buntstiften gemalt, sagt der Mann.
Und bei allem habe ich mal wieder gelernt, was ich längst wußte: nämlich das, was Stricken und Schreiben – jegliches kreatives Tun – gemeinsam haben: Einfach anfangen, drauflosschreiben oder -stricken, Fehler zulassen (da muckt er wieder, der Monk). Irgendwas wird dabei rumkommen. Nicht jedes Stück muss perfekt sein, nicht jeder Satz ein Kunstwerk. Manchmal reicht es, die Fäden aufzunehmen und zu sehen, was daraus wird.
Die Hände sind beschäftigt, der Kopf hat Pause. Ein bunter Wollrest bringt die Gedanken dann endlich wieder in Bewegung.
Das Ergebnis ist etwas Eigenes. Und das ist doch das, worum es geht.
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Wer schreibt oder strickt, übt Macht aus – nicht im Sinne von Herrschaft über andere, sondern als Gestaltungsmacht über das eigene Tun, die eigenen Gedanken, Materialien und Möglichkeiten. Andrea schreibt heute in ihrem Blog über Macht. Wenn auch eine deutlich andere Macht. Eine, die mir momentan eher das Gefühl gibt ohnmächtig zu sein, aber das wäre ein neuer Blogpost. Wer weiß – vielleicht schreibe ich den noch. Ideen wären jetzt da 🙂
Olga, die Dritte
Eine Olga wollte ich Anfang des Jahres stricken, zwei sind es geworden. Aus Gründen … Die eine rot-blau, die andere grün. Beide total verschieden. Beide total schön. Eine dritte war nicht geplant.
Aber manchmal kommt es eben anders, als man denkt.
Auslöser waren viele Knäuel Sockenwolle, die nicht mehr in die Kiste passten, in die sie sollten. Weil die schon überquoll mit Knäuel in allen Farben des Regenbogens. Alle REGIA und von allen viel zu viel. Ein Luxusproblem könnte man sagen und doch war es mein Problem.
Viel Wolle macht nicht zwingend glücklich. Mich nicht. Dann fühle ich mich wie Sisyphos, verdammt von Zeus, den Fels den Hang emporzurollen. Immerzu, unablässig. Mein „Fels“ ist dabei Wolle und für jedes verstrickte Knäuel kommen – wie aus dem Nichts – immer drei neue. Das Gefühl, nie fertig zu werden, diese Menge an Wolle nicht bewältigen zu können, stresst mich immens. Muss am Monk liegen.
Glückliche Fügung, dass ich eine Freundin habe, die alle Farben des Regenbogens liebt und am liebsten wohl alle zusammen. Deshalb also eine dritte Olga. Ein oversized Pullover, der – so die Idee – mit doppeltem Faden gestrickt unglaublich bunt werden würde und unglaublich viele Wolle verbrauchen würde, ohne dass man es ihm ansehen würde. Das war die Hoffnung.
Sie wurde erfüllt. Und nicht nur das!
Denn 4-fädige Sockenwolle doppelt verstrickt fasst sich ganz anders an als 8-fädige einfach verstrickt. Sie fällt auch ganz anders. Luftiger, weicher, trotzdem griffig. Echt schön. Das Ergebnis mag ich sehr. Also SEHR!
Zuerest habe ich bisschen gerechnet, damit Farben und Anzahl der Ringel hinkommen und dann die grüne Lettlópi-Olga in Maschen und Reihen kopiert. Das hat ungefähr hingehauen. Die Regenbogen-Olga ist unwesentlich schmaler und wäre ohne Extra-Ringel auch kürzer geworden. Abgesehen davon ist sie so bunt wie die Eier zu Ostern, wie der Teppich im Flur.
Lila und rot sind mir irgendwann unterwegs ausgegangen. Ich hatte nur jeweils ein Knäuel und das hat nicht gereicht. Aber egal. Ich habe der Versuchung widerstanden neue Knäuel zu kaufen und statt dessen mit ähnlichen Farben weitergestrickt. Kirschrot statt Tomate. Milka-Lila statt violett. Niemand sieht es außer mir. Niemanden stört es. Nichtmal mich.
Am Ende waren es 13 Farben, 634 Gramm und 2.667 Meter Wolle, die ich in eine Regenbogen-bunte Olga verwandelt habe. Bei allem war es eine „REGIA-Zeitreise“. Von gut abgelegenen Knäuel mit Banderolen im uralten Design bis hin zum apfelgrünen Knäuel aus der freundin-Kooperation.
Und auch das italienische Abketten hat seinen Schrecken verloren. Mittlerweile mache ich das tatsächlich gerne. Den Faden in vier Schritten durch die Maschen zu ziehen, dauert endlos, hat aber etwas Meditatives. Außerdem mag ich Optik und Haptik des auf diese Art abgeketteten Bündchens. Wenn ich es sehe, freue ich mich.
Dennoch wird die Regenbogen-Olga mich verlassen haben, wenn dieser Blogpost online ist. Sie gehört dann der Freundin, die ich bei jedem Ringel im Kopf hatte. Sie, ihren Geburtstag, ihre Liebe zu Farben und zur Ostsee. Die Vorstellung, dass sie den Pullover im kommenden Herbst bei ihren Spaziergängen am Wasser tragen könnte, macht mich glücklich.
Vielleicht schickt sie mir dann sogar ein Bild.
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Ausgezogen
Vor wenigen Wochen ist das Kind ausgezogen. Zum dritten Mal.
Im Sommer 2022, gleich nach dem Abitur, zog es ihn an die Nordsee. Sieben Stunden und zweimal umsteigen. Jedes Wochenende Basketballspiele und in Konsequenz haben wir ihn während der Saison eigentlich nicht gesehen. Trotzdem war er irgendwie nah.
Im Jahr darauf dann das nächste Zuhause in Slubice. Grenzstadt eines anderen Landes. Auch das klang irgendwie ganz weit weg, war es aber gar nicht.
Dieses Mal ist es anders.
Er ist wirklich ausgezogen. Nicht nur mit Kisten, auch mit Kopf und Herz. An einem Montagnachmittag. Vier Kisten gepackt in weniger als einer Stunde. Obendrauf die Granny Square Decke. Sie kennt jedes seiner Zuhause. „Kann Papi mich fahren?“ – „Ja klar.“
Das Zimmer in der WG des Freundes ist mitten in Berlin und möbliert. Alles fresh, sagt er.
Ich sitze draußen, sehe die Vögel in meinem Garten und fühle mich wie sie. Sie füttern und versorgen mit Hingabe ihre Jungen, bis die Kleinen irgendwann auf der Schwelle des Vogelhauses sitzen. Sie flattern erst, fliegen dann und beginnen ein eigenes Leben. Ob es den Vogeleltern leichter fällt als uns?
Wir sind jetzt im Alltag wieder ein Paar, nicht mehr Familie. Das Leben bekommt erneut einen eigenen Rhythmus und ich denke an meinen eigenen Auszug, damals nach Ende der Schulzeit. Erst Paris, dann an den Fuß der Zugspitze, Frankfurt, das Rheinland, wieder Frankfurt, schließlich USA. Seit über einem Vierteljahrhundert Berlin.
Vielleicht mache ich mich auch noch einmal auf den Weg, denke ich. Reduziere was wir haben auf wenige Kartons und fange neu an. Die Vorstellung gefällt mir. Ich werde den Mann fragen, was er davon hält.
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Sunday, Sunday
Eigentlich habe ich über den Sunday Sweater ja gerade erst geschrieben, aber vielleicht war das zu früh. Die Geschichte des schönen Pullovers ging nämlich noch weiter und das so wunderbar, dass ich jetzt nicht umhin komme, nochmal davon zu erzählen – und meinen Sunday eher nicht zu verschenken (ja, ich habe darüber nachgedacht), sondern zu behalten.
Aber von vorne: vor gut 14 Tagen wollte ich die Gasttochter (erinnert Ihr Euch an sie?), die uns für ein paar Tagen besuchen kam, von der Bahn holen. Schon früh kündigte sich allerdings an, dass ihr Zug Verspätung haben würde … Dann wurde die Verspätung aufgehoben … Dann doch nicht. Kurz: wann der Zug kommen würde war fraglich und so fuhr ich lieber rechtzeitig los.
Nicht jedoch ohne vorher Andrea zu fragen, ob sie ein schönes Café in der Nähe kennen würde und – siehe da – sie kannte tatsächlich eins. Und nicht nur das – sie hatte auch Zeit, mir dort Gesellschaft zu leisten. Konnte es besser sein? Wohl kaum!
„Sie werden bereits erwartet“, sagte die Bedienung, als ich im Café ankam. Tatsächlich war Andrea schon da, alle anderen Tische in dem kleinen Raum waren frei. Bei Kaffee und Käsekuchen haben wir uns herrlich unterhalten. Über Jobs und das Leben, über Wolle, aktuelle Projekte, die eigenen und Gastkinder und jedes Mal, wenn ich aufs Handy guckte (zugegeben oft), hatte die Verspätung des Zuges ein bißchen mehr zugenommen. Also schwatzen wir weiter.
Irgendwann war auch einer der Nachbartische besetzt. Eine Mutter mit zwei erwachsenen Söhnen so schien es und sie fielen mir tatsächlich nur auf, weil ich dachte: so möchte ich das auch, wenn der Sohn ausgezogen ist. Entspannt mt ihm im Café sitzen.
Was ich bei allem nicht gesehen habe, war, dass es auch einen Nachbarraum gab und aus diesem kamen nach einer Weile zwei Frauen und gingen Richtung Ausgang. Eine der beiden sah mich ganz merkwürdig an, ging an uns vorbei, kam dann aber doch nochmal zurück. „Toller Pullover“, sagte sie, „den möchte ich auch unbedingt stricken!“ und für einen Moment wußte ich tatsächlich nicht, was ich sagen sollte. Hatte ich doch die exakt gleiche Situation in einem Kreuzberger Café erlebt, mit dem Unterschied, dass ich es Anfang des Jahres war, die den Sunday Sweater an einer anderen Frau bewundert hatte. Und nun also das Gleiche wieder, nur andersherum. Verrückt! (Aber ein so schönes Verrückt).
Aber damit nicht genug! Kaum waren die Beiden gegangen, stand die Frau vom Nachbartisch auf, kam an unseren Tisch und zeigte mir das Display ihres Handys. Ich bin normalerweise nicht langsam – da war ich es. Und so dauerte es gefühlt ewig, bis ich erkannte, dass sie mir ihre und meine Kommunikation auf Instagram zeigte. Ganz unten stand „Sitzt Du gerade im PapalaCup?“
Ja, da saß ich und sie hatte mich erkannt!
Weil ich so oft aufs Handy guckte, hatte sie mich über Instagram angeschrieben. Um sicher zu gehen, dass ich es wirklich war, ehe sie mich ansprechen würde. War es doch Jahre her, dass wir uns zuletzt gesehen hatten und – wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht – auch nur ein einziges Mal im Rahmen einer Veranstaltung bei DaWanda. (DaWanda, das war mal ein Berliner Online-Marktplatz für handgefertigte Produkte. Sowas wir Etsy. Das Ladengeschäft wurde im Sommer 2018 geschlossen).
Sieben Jahre! Und dennoch hatte sie mich – aufmerksam geworden durch die andere Frau – erkannt. „Die kenne ich“ meinte sie zu ihren Söhnen, die wohl sowas entgegneten wie „Nee, is‘ klar Mama. Du bist hier zu Besuch, 4 Millionen Menschen leben in Berlin, ein einziger Tisch im Café ist besetzt und ausgerechnet die, die an diesem Tisch sitzt, kennst du? Tsss …“ Ich glaube, ich hätte es meinem Sohn in ähnlicher Situation auch beweisen wollen 😉.
Wie schade Marta, dass Du keine Zeit hattest! Ich hätte es wunderbar gefunden, wenn Du Dich für einen Moment zu uns gesetzt hättest. Laß uns das sehr gerne für Deinen nächsten Besuch in der Hauptstadt planen.
Draußen ist es unverändert frisch – genau das richtige Wetter, um den Sunday Sweater noch ein paar Tage zu tragen. Und jedes Mal, wenn ich das tue, freue ich mich grinsend an ihm und seiner Geschichte. Mal sehen, was er kommenden Herbst erlebt!
Was ist das Verrückteste, das Dir je in Sachen Wolle passiert ist?
Der 12tel Blick im März 2025
Ein Monat Zeit für den 12tel Blick und dann das … Wie oft bin ich im März in der überfüllten U-Bahn unter Hermannplatz und Kirche am Südstern durchgefahren. Erst in die eine Richtung, später wieder zurück. Jedes Mal müde. Morgens noch und abends wieder … Nie ein guter Tag für Bilder. Zu spät, zu dunkel, zu anstrengend. Und dann war der Monat vorbei. Mist!
Was habe ich also?
Schönes Abendlicht am Hermannplatz. An der Fassade hängt ein neues Schild: OUTLET! MARKEN! GÜNSTIG! Es liest sich mehr nach Ramsch, als nach Gelegenheit. In großen Teilen des Erdgeschosses ist mittlerweile ein Lidl, die U-Bahn-Station unter dem Gebäude ist unverändert eine Baustelle.
„Berlins einziger Kartoffelpuffer-Imbiß“ an der Westseite des Gebäudes ist nun auch schon eine Weile geschlossen. Es heißt, es gäbe einen neuen Betreiber. „[E]ine einjährige Genehmigung [kann] erteilt werden, sobald alle notwendigen Stellungnahmen vorliegen.“ Ach Berlin …
Ob es dort wieder Kartoffelpuffer geben wird, weiß niemand und doch scheint es Neukölln mehr zu beschäftigen als die Zukunft des Kaufhauses.
Eine U-Bahn-Station weiter, am Südstern, kam das Licht nicht nur aus der (für mein Bild) falschen Richtung, es hatte auch deutlich abgenommen. Eine dunkle Kirche und nichts von dem zarten Grün, das ich mir im Februar noch gewünscht habe. Wie schade!
Ich nehme mir also fest vor, in den nächsten Tagen, sobald der Himmel blau ist, die April-Bilder für den 12tel Blick zu machen! Die stolze, alte Kirche hätte ordentliches Licht und blauen Himmel verdient!
Einen Himmel so blau, wie über meinem Garten an so vielen Tagen im März. Die Holzwaben zu fotografieren war deshalb keine Kunst. Fünfeinhalb sind jetzt leer; ich dachte tatsächlich, es wären mehr. Wenn es wärmer wird werden wir das Holz umschichten. Wäre doch gelacht, wenn es uns nicht gelänge, die Scheite so zu legen, dass wirklich alle endlich trocknen und wir sie ab Herbst verbrennen können. Bei der Gelegenheit kann dann auch das Holz, das in der Wanne am Gartenhaus lehnt, in eine der Waben geräumt werden.
Oder ich kümmere mich doch erst um den Garten, mache weiter, womit ich vergangenes Jahr begonnen habe: alles bisschen klimatauglicher, einfacher, insektenfreundlicher, bunter.
Aber vorher gucke ich, wie es im März all denen ergangen ist, die sich in Evas Blog zum 12tel Blick zusammengefunden haben. Sieh es Dir auch mal an – da sind tolle Motive dabei.
Verlinkt zu VerfuchstUndZugenäht und zum Samstagsplausch